Alles
Und wenn mir jeder Buchstabe
der je geschrieben war
genommen
Und wenn mir jede Erinnerung
aus meinem Lebensbuch
gestrichen
Und mir keine Reise um die Welt
mehr möglich
Wenn mich das Liebgewordene
verlassen
Und das Grösste unten
und das Kleinste oben
und das Innen aussen
und das Aussen innen
und überhaupt
Alles
anders
hätte ich ES doch
Alles, was je gesprochen
Alles, was sich am frühen Morgen regt
Alles in allen Büchern
Alles, was atmet
Alles, was geht
Alles Kreisende
Alle Lieder
Alles, was tanzt
Alles Unbändige Lebendige
Alles Grobe und das Zarte
das Laute und die Stille
Alles
In tiefem glücklichem Schweigen
In tiefem glücklichem Schweigen
Stirn an Stirn einander zugeneigt
durchdringen sie sich
in innigster Gemeinschaft
Im Einklang
in der Übereinstimmung
wahrhaftiger Zugehörigkeit
jenseits unseres Yin und Yang
Wir schwingen vereint
in der Welt der Heimgekehrten
in das Namasté der Einheit
Mit dir kommen all jene
die dieses Lied singen
in die Umarmung aller
die es je angestimmt haben
Im Zusammensein
der unsichtbaren Sänger
fliege ich ins Zentrum
unserer gemeinsamen Existenz
meines Daseins
und noch weiter
in den Jubel
in das Lachen
in die Kraft
in die Antwort
jener geheimen
Gemeinschaft
27. August 2017
Endlich
Lange habe ich darauf gewartet
In die Sprache der Erde heimzukehren
Um im gleichen Atemzug
Die Gestirne zu entziffern
Und ihrem Gang durch die Zeiten
Zu lauschen
Wie der Geschichte eines Freundes
Der mit mir durch die Ewigkeit geht
Gerade habe ich den Schrei der Wüstenmaus
Bis zu den Sternen klingen sehen
Und im gleichen Augenblick
Kehrt die Antwort bei ihr ein
Ein Haar schimmert im Herzen
Des tibetischen Hochlandes
Vor der aufsteigenden Sonne
Und steht als Gottesanbeterin da
Die Venus erkennt sich
An diesem Morgen auf Erden wieder
Und die sanfte Biegung der Hügelschatten
Zeichnet mich tief
In die Landschaft der Schöpfung ein
Eingewoben
In die unendliche Fülle
Der ewigen Wiederkehr
17. Juni 2022
Sanft
... Latifa war wieder auf dem Weg ans Meer. Die ein wenig abseits gelegene, schwer zugängliche Stelle war ihr geheimer Zufluchtsort. Hier konnte sie ungestört den Wellen des Ozeans lauschen und ihr kleines, stilles Ritual war geschützt vor den Blicken Neugieriger oder jener, die ihr nichts zutrauten oder ihr nichts Gutes gönnten. Sie kam wie gewohnt barfuss. Liebte die sonnengewärmten Kieselsteine, den feinen Sand, die trockene Erde, die das Feuer durch ihren leichten, feingliedrigen Körper schickten. Jeden Tag, seit er das Land verlassen hatte, kam sie hierher. Nicht um sich an ihn zu erinnern, sondern um sich vor ihrer eigenen Kraft zu verneigen. Die meisten Menschen, die ihr in diesem Leben an die Seite gestellt wurden, Eltern, Familie, Verwandte, Freunde, hatten stets nur ihre überwältigende Zartheit, ihre Zerbrechlichkeit gesehen. Alle folgten in ihrer Gegenwart dem unwiderstehlichen Impuls, schützend ihre Arme um sie zu legen oder sie aus ein wenig Distanz zu betrachten, nicht zu nahe heran zu rücken, aus Angst sie zu verletzen bei der leisesten Berührung. Latifa schien sich vor der Gewalt der Elemente aufzulösen. Mit einem Gemisch aus Mitleid und Bewunderung beobachteten die Menschen ihren regelmässigen Gang zum Meer. Der Kontrast ihrer ätherischen Anmut zur Wucht des Ozeans schien unüberwindbar. Latifa aber liebte gerade dann das Meer am intensivsten, wenn die Wellen gegen die aufragenden Steinformationen peitschten. Sie liebte jene Tage, wo Stürme wild um sich schlugen und sie sich mit offenen Armen in den Wind legen konnte. Dieser trug und wiegte sie dann wie eine liebende Mutter in den ersten Tagen nach der Geburt. Jeden Tag kam sie, um hier ihre Blumen niederzulegen. Sie setzte sich in den samtig weichen Sand, faltete die Hände vor der Brust, verneigte sich und ordnete jede Blüte mit ungeteilter Aufmerksamkeit nach einem immer gleichen Muster an. Sie schloss für einen Augenblick die Augen. Dann beobachtete sie, wie sich die Wellen nach den Blumen ausstreckten und nach und nach jede Blüte mitnahmen hinaus in die unendliche Weite. Sie fühlte es mit jeder Faser ihres Seins, von diesem gewaltigen Meereskörper, von den kraftvollen, wogenden Wassermassen davongetragen zu werden. Die zarten, bunten Blütenblätter schaukelten lachend auf ihrem Ozean ...
Der spirituelle Hunger des Kindes
Alles ist lebendig -
wenn die Grenzen transparent bleiben
Auszug aus meinem Artikel in diesem Buch:
"Mami, ich will nach Hause. Ich möchte wieder dahin zurück, wo ich war, bevor ich in deinem Bauch war." (Jamal mit fünf Jahren)
Berührt und aufgewühlt war ich, als ich diese Aussage von Jamal zum ersten Mal hörte. Worte, die ein ganzes Universum von möglichen Deutungsebenen aufschliessen. Sie erinnern an den Ruf, an den Urklang, die Ursehnsucht der Rückkehr. Der verlorene Sohn - die verlorene Tochter. An den Weg des Menschen zurück in das Licht des Wissenden. An den Ort des allumfassenden Seins. An den Ort aller Namen, der keinen Namen hat. Warum er denn dahin zurück wolle? "Dort kann ich in Ruhe schlafen. Ich weiss es nicht genau. Dort ist es besser. Es fühlt sich komisch an hier." Es gibt Momente, in denen Jamal sich "zu Hause" fühlt. Dann ist es "gemütlich". "Gemütlich" meint - soweit ich es begreifen kann - ankommen. Nicht in der Abspaltung leben müssen. Nicht in der Erfahrung des Getrenntseins von diesem oder jenem, sondern in einem Gefühl der inneren Übereinstimmung. Das genügt dann schon. Dann ist es gut. Das ist Heimat.
Ich danke meinen wunderbaren Freunden Helga und Robert für dieses schöne Buch, in dem sie Texte von Autoren aus verschiedenen spirituellen Traditionen und aus ihrem Freundeskreis zusammengetragen haben. Eine Sammlung von Beiträgen, die alle einen ganz individuellen, einzigartigen Blick auf die Frage nach dem spirituellen Hunger des Kindes werfen.
Du kannst das Buch direkt beim Chalice Verlag oder in deiner Buchhandlung bestellen:
Schriftrolle
Als ich diese Zeichen und Zeilen geschrieben habe, sind sie wie ein geheimnisvolles Tagebuch aus mir herausgeströmt. 20m Schrift auf einer weissen Papierrolle. Sie haben mich das Hören gelehrt. Denn die Bedeutung von Worten und Zeichen ist nie schwarz oder weiss. Immer schwingen Welten mit, wenn mir ein Wesen seine Geschichte erzählt, wenn ich eine Sprache höre, dem Klangteppich der Welt lausche oder im Buch des Lebens lese...
"ALLES" CD und Gedichte
Es war einmal
Es war einmal
ein Hauch von einem Bild
von weit her
durch meine Innenstadt gezogen
Liess sich von keinem Jammern stören
Liess sich von keinem Glück betören
Nahm sanft und leise seinen Weg
durch die Gezeiten meines Wesens
Ein Hauch nur
kaum hin geatmet
als wäre es nicht
Und doch
in seiner Blässe
war eine wunderbare Kraft
verborgen
so stark und geduldig
voller Zuversicht
und leisem Lachen
Gewiss
dass sie die Blinde
ihren wirren Blick
in einen Kelch verwandeln
und empfangen wird
2. Februar 2001
ALLES hat sich aus dem improvisierten Zusammenspiel, im Herzschlag und Rhythmus des Drehens und in der Kraft der Gemeinschaft frei entfaltet.
Wenn die Sonne innen aufgeht
Wenn die Sonne innen aufgeht
bleibt keine noch so kleine Ecke
kein noch so dunkler Fleck
keine noch so schöne Schönheit
ungesehen
angekommen und angenommen
nichts bleibt unberührt
alles unversehrt
innen O innen
geht die Sonne auf
und findet kein Ende
in ihrem Glanz
hoch hinaus
und weit hinein
drunter und drüber
durch und durch
durchscheinend
haltlos haltend
und anhaltend
strahlt die Sonne
die innen aufgeht
10. März 2021
Vor Urzeiten begonnen
Meine Gedichte kreisen um das Zentrum einer Frage, die sich irgendwann in mir aufgetan hat.
Ich schreibe immer spontan und feile nicht an diesen Texten. Ich höre, wenn sie da sind. Dann muss es schnell gehen.
Das erste Gedicht meiner Sammlung ist auf Oktober 1993 datiert.
In ihm ist schon ALLES da.